Ort meiner Vorfahren

Karlsberg




Heiner fuhr meinen älteren Bruder mit Frau, meine Cousine und mir, extra nach Karlsberg.
 

 
Auf der Postkarte war ein reizender Sommerfrischeort am rechten Ufer des Flüsschens Mohra, das 1600 gegründet wurde, zu sehen.
328 Einwohner hatte dieser verträumte Ort gezählt, dessen Schmuckstück das Schlösschen Liechtenstein gewesen war, für dessen Tierbestand einst mein Großvater, väterlicherseits, gesorgt hatte.
 
Auch das Anwesen meiner Großeltern war im Vordergrund zu sehen. Groß in U-Form erbaut.


Meine Großeltern hatten außer der Landwirtschaft noch ein kleines Einkehrlokal geführt, und das restliche Gebäude an die Polizei und Post untervermietet.
Nach dem ersten Weltkrieg begann der Neuaufbau dieser kleinen Gemeinschaft.
Kriegsheimkehrern  wagten einen Neuanfang.

Die kleine Seelengemeinde hatte keine Monotonie gekannt. Nicht nur zwei Maschinenfabriken brachten Leben in die beschauliche Gemeinde. Auch Festlichkeiten, wie bei Vereinen, wurden gepflegt, und hatten keineswegs dem ländlichen Lebenskreis entsprochen.
Theater, bei dem auch meine Tante mitgewirkt hatte und  Musikabende etc. wurden aufgeführt.
 
Nachdem das Aus i.d. 20er Jahren für die Maschinenfabrik kam, verliessen Beamte und Facharbeiter den Ort .
Ruhe kehrte in Karlsberg ein!
Ende der zwanziger Jahre wurde dieser heimelige Ort als Sommerfrische und Luftkurort entdeckt und die Gemeinde ist wieder aufgelebt.



Im Herbst, wenn der Wind durch die bunten Blätter säuselte, kehrte wieder Ruhe, in diese idyllische Landschaft, ein.
 
Auch diese Fahrt gehörte zu den Höhepunkten meiner Sudetenlandreise. Mein Blick auf die Postkarte und die Erinnerungen an Erzählungen hatten die Fahrt verkürzt. Wir waren angekommen. 

Die Überraschung war sensationell!

Ein absolutes Nichts lag vor uns! Ein großer Stausee in allen Braun-Grün-Schattierungen, durchzogen von Büschen und Gräsern, erstreckte sich vor uns.





Es war kein Durchkommen. Eine malerische Öde breitete sich vor uns aus. Der Wind spielte mit Gräser und Halme. Nur die verwitterte Kirche, die sich im Stausee spiegelte und der Friedhof daneben, erinnerte an den einstigen Luftkurort. Traurigkeit und Nachdenklichkeit waren aufgekommen. Bei diesem bezaubernden Anblick war es schwierig weiterzufahren. Doch in Sichtweite lag die Kirche und der Friedhof. Zeugen längst vergangener Zeiten. Es weckte Sehnsüchte. Unbedingt wollten wir die Kirche sehen, die verloren auf einer kleinen Anhöhe stand.



Sentimalität kam auf und die Erinnerungen, aus den Erzählungen meines Vaters und Onkels, kamen mir wieder in den Sinn.

Um die letzten „Sehenswürdigkeiten“ begutachten zu können fuhr uns Heiner nach Neurode, um uns Gelegenheit zu einer Besichtigung zu geben. Einem kleinen Ort, mit schönen, weißen Neubauten. Eingebettet in Wiesen und Wälder. Zügig liefen wir über die einstigen Felder und Wiesen meiner Großeltern, und atmeten die reine Luft dieses Sommertages ein. Gewürzt von Wald und Heu. Die Landschaft hatte ihr spätsommerliches Kleid umgestülpt und sah verlockend aus.



Endlich! Die Kirche war in Sicht. Unsere Schritte wurden schneller und mit erwartungsvollen Gesicht standen wir nun unschlüssig vor zerfallener Mauer und Eisengitter. Nichts war zu hoch. Wir kletterten über die rostige Eisentür und bestaunten diese schäbige Kirche, deren Spuren der letzten Jahrzehnte unübersichtlich waren. Krieg, Regen, Sonne und Wind hatten ihre Zeichen hinterlassen. Der angrenzend Friedhof sah verwildert aus. Nur vereinzelt sah man, dass Hand angelegt wurde.
 

 


Ein Ausruf ließ mich stutzig werden. Mein Bruder hatte die letzte Ruhestätte unseres Onkels entdeckt.*1924.
 


Mit Papiertaschentüchern wurde der schwarz-grau melierte Grabstein blankgeputzt, um denselbigen auf den Film bannen zu können. Mehr gab es nicht zu sehen. Wir begaben uns wieder über die großväterlichen Äcker nach Neurode, wo Heiner geduldig auf uns gewartet hatte.


 
 

 
Trenne dich nicht von deinen Illusionen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben. - Mark Twain -
 
Ich bin nicht auf der Welt um so zu sein, wie andere mich haben wollen! -unbekannt-
 
 
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