Geburt + Vetreibung

40er-Jahre 

 Während in den 40er Jahren der zweite Weltkrieg tobte, Kernwaffen zum ersten Einsatz kamen, zahlreiche Völker u.a. auch Sudetenland vertrieben wurden und der Staat Israel gegründet, wurde auch der legendäre Film „Casablanca“ mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann gedreht. 

In dieser Zeit kam ich in Freudenthal/Sudetenland auf die Welt.Vom Winter sprach damals niemand, nehme ich an, ob strahlender Sonnenschein oder grau in grau, konnte mir keiner hinterher sagen.
Jedenfalls war ich die Jüngste von meinen drei Geschwistern.

Entzückend soll ich ausgesehen haben, so dass mich der kinderlose Chefarzt der Entbindungsstation sofort adoptieren wollte. Aber Muttern sagte rigoros nein, und damit hatte es sich. Basta!

  

 
 

 

 

 

 



 

 



Bruder Peter erinnert sich.
Stimmungsbild vor der Vertreibung

8.Mai 1945

Nach der Kapitulation standen dann die Russen auf dem Hauptplatz. Die Arme dicht behangen mit Uhren und schrieen: “Uri, Uri, Uri!“ Der Krieg war vorbei und wir wohnten zunächst bei unseren Jane Großeltern, da die Russen ganz Freudenthal unsicher machten. Sie betranken sich in einer hiesigen Brauerei und zogen grölend durch die leeren Gassen Freudenthals.
Wir wohnten nun bei den Eltern von Mutti.
Ein Erlebnis ist meinem Bruder noch gut in Erinnerung:

Ein russischer Wagen mit Ordonanzoffizier, Chauffeur und Dolmetscher hielt eines Tage vor dem Haus meiner Großeltern.
Uniformen wurden zum Reinigen gebracht. Bis heute weiß keiner, woher sie die Adresse von Opa hatten und woher sie wussten, dass Opa eine Reinigung und Färberei hatte.

Zuerst wurde von den Russen die Wohnung inspiziert und nachdem sie uns Kinder gesehen hatten fragten sie nach Mutti und Tante Mizzi. Oma hatte immer gesagt: “Roboti, roboti!“ Obwohl ihre beiden Töchter im verdunkelten Keller in einer Kartoffelkiste saßen.
Nach Tagen wurden dann die gereinigten Offiziers-Uniformen abgeholt.
 

Grosses Erstaunen löste eine russische Ordonanz aus, der am nächsten Tag wieder kam, voll des Lobes über die gereinigten Uniformen und vollbepackt mit Lebensmittel. Von sofort an wurde die Wohnung in weitem Umkreis bewacht und wir hatten nichts mehr zu befürchten. Selbst von den Tschechen nicht, die sich zwischenzeitlich als große Herren aufspielten. Die Russen zogen ab und von nun an hatten die Tschechen das Sagen. 

Der Krieg war vorbei und wir wohnten zunächst bei unseren Jane Großeltern, da die Russen ganz Freudenthal unsicher machten. Sie betranken sich in einer hiesigen Brauerei und zogen grölend durch die leeren Gassen Freudenthals.

 Bruder Peter erinnert sich: 
Vertreibung aus dem Sudetenland
 

Wir wurden mit vielen anderen auf dem Sportplatz bei der Brauerei zusammengetrieben. Wir, das waren Mutti mit ihren vier Kindern, ihre Schwester Mizzi mit zwei Kindern, Tante Gretel mit 4 Personen, Oma und Opa und noch Bekannte von Opa. Ein Gerbermeister, bestückt mit leckeren Speckseiten und Brote von einigen Kilos, die die Tschechen nicht gefunden hatten. 

Am Tag darauf wurden wir in einen offenen Viehwaggon verladen, der vom tschechischen Militär im Personenwaggons, und gegen Abend abtransportiert.   

Die Stationen unserer Reise ins Ungewisse ging über Olmütz, Brünn in Richtung Prag. 

 

 

Im Februar 1945 ist Dresden bombardiert worden und im Juli hatte es noch aus den Trümmern geraucht. Bestialischer Gestank lag in der Luft und der Dresdner Bahnhof präsentierten sich den Flüchtlingen als trostloses, schwarzes Gerippe.

 
 

 

Weiter der Elbe entlang nach Aussig, wo die Tschechen den Zug zum Entgleisen zu bringen wollten. Sie hängten vorne und hinten je zwei Loks an und versuchten den Zug auseinander zureißen. Wir hatten Glück! Ihr Vorhaben gelang nicht. Nach ungezählten Tagen und Stunden kamen wir dann in Dresden an. 

Mutti suchte nach was Essbarem für uns alle in der Stadt. Aus Angst um unsere Mutti begab ich mich auf die Suche nach ihr und zog durch die rauchenden Trümmer um sie zu suchen. Was mag wohl in so einem 10jährigen Jungen vorgegangen sein?

 
 Opa war kurz vor einem Nervenzusammenbruch und als noch unsere restlichen Rucksäcke gestohlen wurden schien alles aus. Aber irgendwie ging es immer weiter!
 
 
Wie lange wir in Dresden standen weiß man nicht mehr. Ziellos ging es irgendwann nach Norden.
erzberg a.d. Elster war unsere Vertreibung zu Ende. Die Brücke über die Elster war zerstört und sämtlich Flüchtlinge aus den Waggons getrieben. Mit dem leeren Viehtransport fuhren die Tschechen wieder rückwärts Richtung Dresden.

 Der ganze Flüchtlingstreck zog in den Ort Herzberg, wo wir dann übernachteten. 

Für Tante Grete (Cousine von Mutti), von jeher schon ein unruhiger Geist, stand fest, dass sie Richtung Westen wollte. Also setzten wir uns von den übrigen Flüchtlingen ab und zogen auf eigene Faust weiter. Mit einem Zug kamen wir nach Jüteborg. Aber keiner wusste wo das war. Also, nur wieder weg! Dann erfuhren wir, dass wir uns auf dem Wege nach Berlin befanden. Also, wieder total falsche Marschroute. Mit dem nächstbesten Zug, sind wir dann nach Riesa weiter nach Zwickau. Wir waren am Ende unserer seelischen und körperlichen Kräfte.

 

Nach eingehender Untersuchung kamen wir zunächst in ein Erholungslager, das für eigentlich für KZ-Häftlinge und kommunistische PG gedacht war.

Ca. 14 Tage konnten wir uns da erholen. Wegen politischer Umerziehung sind wir dank Tante Gretel, die auf der ganzen Flucht die treibende Kraft, wieder von dannen gezogen. Mit einem in Richtung Eisenach fahrenden Zug fuhren wir Zielrichtung Eisenach.

Wir kamen nur bis Gera, das wir am späten Abend erreicht hatten. Da ab 22 Uhr Sperrstunde war und niemand mehr auf der Strasse sein durfte, landeten wir in einen überfüllten Wartesaal im Bahnhof.

Russische Soldaten stiegen mit ihren Maschinenpistolen nachts durch die Menschenmassen. Den darauffolgenden Tagen erreichten wir endlich Eisenach.

Dieser Zug war überfüllt und so mussten die Älteren auf die Trittbretter. Auch Omi und Opa, die sich wie die vielen anderen Alten an den Türgriffen bzw. Haltestangen an den Waggons festhielten. Unbeschreibliche Angst hatten deren Töchter, meine Mutti und Tante Mizzi. Wir hatten Glück! Alle erreichten wir unversehrt Eisenach.In Eisenach wollten wir wieder Richtung Westen. Müde, ausgehungert und schäbig. Die Vertreibung hatte tiefe Spuren hinterlassen. Werner, der Zweitjüngste, fing nachmittags zu weinen und jammern an. „Müde, ich kann nicht mehr laufen!“ Diese verzweifelten Worte hörte eine Frau, die uns für eine Nacht die Wohnung ihres Sohnes überließ, der in Gefangenschaft war. 

Der nächste Tag war angebrochen und wir marschierten weiter Richtung Gerstungen wo uns nach Eisenach ein russischer LKW-Fahrer in Richtung Berka mit nahm. In Wünschensuhl wollte er uns noch weiter mitnehmen. Wir wollten nicht mehr mit auf Rücksicht die Bekannte von Opa.  

 

Man schrieb den 25. August 1945

Der Wünschensuhler Bürgermeister wies uns zunächst ein Försterhaus als Übernachtungsquartier zu. Einige Tage später sind wir auf eigene Faust weiter Richtung Berka, Dankmarshausen. 

Auf einem Getreidefeld, voll mit Getreidegarben, konnten wir nach Obersuhl, dem heiß ersehnten Westen, sehen. Öde leere. Keine Menschenseele schien die Ruhe zu stören. Plötzlich Schüsse aus den Getreidegarben, wo sich die russischen Soldaten versteckt hatten. Wieder nichts mit dem Westen.

Wir wurden zusammengetrieben und sie brachten uns über Dankmarshausen gegen Abend nach Dippach. Ab 22 Uhr war wieder Sperrstunde, und keiner durfte sich auf der Strasse blicken lassen. Anderntags ging es zurück nach Wünschensuhl. Da der Herbst und Winter nachte riet uns der Wünschensuhler Bürgermeister uns ein Quartier zu suchen.
Wir hatten Glück und kamen bei der Familie Platzdasch unter, Tante Mizzi bei Stellmachermeister W. und die Großeltern. 

Familie T. hatte den Westen noch nicht aufgegeben und zogen bald weiter in diese Richtung. Bruder Peter zog zu den Großeltern, damit auch sie die Milchzuteilung erhielten. Diese Zuteilung erhielten nur die, bei denen Kinder lebten.

Im April 1947 kam Papa aus französischer Gefangenschaft zurück und besuchte uns in Wünschensuhl.

 

Die Vertreibung mit vielen Hindernissen überstand ich mehr schlecht als recht. Alle gaben mich auf, bis auf Mutsch. Auf Umwegen ging der Treck nach Thüringen wo wir bei Eisenach bei guten Bauern Unterschlupf fanden. Zwischendurch kam Papa. Urlaub aus der Gefangenschaft und meine eisigen Worte: „Was will der fremde Mann“?, mag ihm wohl durch Mark und Bein gegangen sein.  

Mein Bruder Werner brachte Leben in diese kleine, stille Seelengemeinde. Er wusste gar nicht wohin mit seiner Lebensfreude. Oder waren es Ausläufer des Krieges? Stopfte Enten ins Kellerloch, Hühner wurden in Gewässer geschmissen und der letzte Streich war, dass er, zusammen mit seinem Freund Edgar, eine Katze mit dem Schwanz an einer Türklinke aufhängen und schlachten wollte. Das gab Ärger und seinem überschüssigen schwarzem Humor einen Dämpfer! 

Ich hing an ihm wie eine Klette und musste immer von Kopf bis Fuß weiß angezogen sein - eitel war er schon immer gewesen! - sonst hätte er mich nie mitgenommen. Einen Dickschädel hatte er bereits damals. Dann kam ich heim und mein weißes Gewand war der Erde farbgleich.  

Mutig, wie mein Bruder war, fing er eines Tages zu streiken an, stellte sich mit seinen ca. sechs Jahren vor meine Mutter hin, deutete demonstrativ mit seinen mageren Armen in alle Himmelsrichtungen und sagte wütend: „Da habe ich sie mitgenommen, da habe ich sie mitgenommen und da habe ich sie mitgenommen. Und da, nehme ich sie nicht mehr mit!“ Er musste wohl auf die Nordseite gezeigt haben, denn eisig durchfuhr es meine zarte Seele und meine Stimme stieg Oktavenweise, so dass mein Plärren weithin zu hören war. 

„Go West“ war die Devise meiner Verwandtschaft und so kamen wir auf Umwegen nach Göppingen.

 

 

 

 

 

 

 
 

 

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 
Trenne dich nicht von deinen Illusionen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben. - Mark Twain -
 
Ich bin nicht auf der Welt um so zu sein, wie andere mich haben wollen! -unbekannt-
 
 
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