Geburtsort
Mit großen Erwartungen setzte ich mich in den Bus. Mit mir meine Cousine, mein älterer Bruder und Frau.


Erstmals fuhr ich ins Sudetenland. Die Höhepunkte dieser Reise war
mein Geburtsort FREUDENTHAL




und der
Geburtsort meines Vaters
KARLSBERG.
 
In dem engen und vollen Bus, mit dem überaus ortskundigen, freundlichen Bus- und Reiseführer Heiner fuhren wir los. Nördlingen –Waidhausen – Pilsen – Prag - Königsgraetz nach Freudenthal.



 

 

Herrliche Landschaften zogen vorbei und luden zum Wandern ein. In dieser überschaubaren Kreisstadt wurden wir in einem großen Hotel untergebracht, in dem wir und andere deutschen Gäste, unfreundlich und unaufmerksam bedient wurden.
Freudenthal hatte nicht nur Geschichte aufzuweisen, sondern auch Erinnerungen, an die Erzählungen meiner Eltern.

Erster Besichtigungspunkt war die frühgotische Stadtpfarrkirche „Maria Himmelfahrt“,



in der meine Eltern geheiratet hatten. Einer Kirche, die im 13.Jahrhundert entstanden sein dürfte, mit einem wunderschönen Barockturm. Ein in Venedig gemaltes Hauptaltarbild kam nach dem Stadtbrand 1764 in diese Pfarrkirche. Eine dunkle Marmorplatte erinnerte an den Stadthalter des Deutschen Ordens J. C. v. Amspringen.

Mein Kopf war voll von Erinnerungen und wie ein Film rollte die Kindheit meiner Mutti, welche die Klosterschule besucht hatte, ab. Ich ließ meiner Phantasie freien Lauf:

…ihre behütete Jugend, wie sie meinen Vater kennen gelernt hatte, die Hochzeitskutsche und Mutti als zierliche Braut in einem schlichten, langen, eleganten Hochzeitskleid. Wie sie und mein Vater mit der Hochzeitskutsche vorfuhr.





Wie ihre Eltern und Schwiegereltern auch mit Zylinder und viele Gäste auf sie warteten. Dann wurden wir vier Kinder geborenen.

 


 


Der Krieg brach aus. Hunger, Leid und die Vertreibung. Zusammengepfercht im Zug, mit wenigen Habseligkeiten und Angst! Angst vor der Zukunft!
Bald hatte mich die Wirklichkeit wieder.

Nicht zu vergessen ist das kleine Schloss


 

in der Nähe von der Stadtpfarrkirche, mit seiner barocken Fassade. Zeugnis aus der ereignisreichen Geschichte der Stadt. Frisch verputzt nahm es, inmitten von Freudenthal, stolz seinen Platz ein.
Erstmals urkundlich 1506 erwähnt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg blieb das Schloss einige Jahre im halbzerstörten Zustand liegen. 1666 wurde es unter Hochmeister J.C. v. Amspringen instandgesetzt hatte. Da der Orden nichts für die Erhaltung des Schlosses tat, erfolgte unter dem Hochmeister C.A.v.Lothringen, Schwager der Kaiserin Maria Theresia, 1766 die Renovierung und Umbau. Barocke Hauptfassade, prachtvoller Torbau, breites Stiegenhaus und die fehlenden Renaissancearkaden wurden ersetzt.






 

Vorbei am idyllisch gelegenen Stutenteich, in dem sich die evangelische Kirche widerspiegelte 


zum Schwarzbach, der sich durch diesen schmucken Ort schlängelte. Einstige Goldwäscherei und späteres Fischwasser meines Vaters.

Auf Umwegen hatten wir das Elternhaus, in der Mühlgasse, erreicht. Mit feuchten Augen stand ich davor. Inmitten einer Reihe von unansehnlichen Häusern stand es frisch verputzt und gestrichen.

 
In den neuen Fenstern spiegelte sich die Sonne wieder und am Eingang ein neues, bescheidenes, gläsernes Vordach. Hier entfaltete sich die Illusion des Eigentums! Doch der Wind wehte den Zukunftsglauben davon. Ich verspürte ohnmächtige Wut und den Schmerz, den die Eltern erleiden mussten.

Die Entdeckungsreise war noch nicht beendet. Ein großer Bau der TELEKOM stand nun vor mir. Es musste ungefähr die Stelle gewesen sein, wo Opa früher seine Färberei stehen hatte. Ich dachte daran wie Oma, schon zum Vesper, für Opa und den Gesellen vormittags eines ihrer Schmankerln geköchelt hatte.

Wir erreichten Tante Mizzis Haus durch ein Gässchen. Auf grünem Untergrund stand mit weißen Buchstaben drogerie - parfümerie.


Ein Haus, dass schon lustigere Zeiten gesehen hatte. Da, wo früher die pure Lebensfreude meiner Tante zu spüren war, zeigte sich heute ein schäbiges Haus ohne Leben. Wahrlich, ein Farbanstrich würde es in ein stolzes Geschäftshaus verwandeln. Am Hintereingang dieses armseligen Hauses begutachtete ich die Stelle, wo mich meine Schwester mit ihren sieben Jährchen, aus Angst vor feindlichen Fliegern, stehen ließ. Fliegerangriff!! Ein Granatsplitter schoss damals schräg durch das Dach meines Kinderwagens. Wie mag es wohl meiner Schwester ergangen sein?
 

Ca.20 m weiter und wir waren bereits am Marktplatz, wo 1939 Hitler durchmarschierte. Der Gedanke daran ließ mich frösteln. Wir machten Halt vor der einstigen „Deutschen Bank“ in der mein Vater beschäftigt gewesen war. PAPIH stand in großen Lettern an der Front des ocker-braunen Hauses.



Mutters Berufsschule war auf unserem Weg zur Piatristen -Kirche mit Gymnasium, die Schule, die mein Bruder noch besucht hatte.
Es war ein Muss, auf den südwestlich gelegenen, KÖHLERBERG zu pilgern.
Mit dem Wahrzeichen der Wallfahrtskirche „MARIAHILF“, die kurz nach dem 30jährigen Krieg erbaut worden war. Dickstämmige, knorrige Linden (1760)



säumten den Wegrand und die Lichtstrahlen, die die stolz wippenden Baumkronen durchbrachen, warfen ihr Licht wie einen hellen Teppich auf den schattigen Weg. Der betörende Blick auf Freudenthal wurde vom Schnalzen und Pfeifen der Vogelwelt unterstrichen.

In der Ferne überragte der Altvater, oder was übrig geblieben war. Wie oft hatten doch meine Eltern von diesem Ausflugsort erzählt, der auch heute noch Anziehungspunkt für viele Touristen ist. Auch ein Skigebiet, damals wie heute. Den Aussichtsturm hatten die Russen abgerissen. Heute steht ein Fernsehturm drauf. Mir fiel die Schäferei ein, die sich auf dem Wege zum Altvater befand

Die Eindrücke an meinen Geburtsort waren vielfältig gewesen. Wie groß der Schmerz gewesen war, alles hinter sich zu lassen, kann man nur erahnen. Wie viele andere Millionen Menschen hatten meine Eltern, Großeltern und Verwandte, mit dem Notwendigstem ihr Haus und Heimat verlassen müssen. Ihr Hab und Gut, und alle ihre Hoffnungen und Träume hatten sie hinter sich gelassen. Sie hatten keine Perspektive! Wehmut, Krankheit und Erinnerungen an längst vergangene Zeiten hatte sie geplagt.
 
Trenne dich nicht von deinen Illusionen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben. - Mark Twain -
 
Ich bin nicht auf der Welt um so zu sein, wie andere mich haben wollen! -unbekannt-
 
 
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